Die Rolle des Kundenservice im Unternehmen

Customer Experience oder CX ist mittlerweile in der Geschäftsleitung angekommen und es sind in den meisten Unternehmen eine Fülle von Customer Journeys erhoben und evaluiert worden. Daher glauben viele Führungskräfte zu wissen, WAS für positive Kundenerlebnisse im Unternehmen alles verändert werden muss. Jedoch wissen die meisten dieser Führungskräfte nicht, WIE und wichtiger noch, WO sie das umsetzen sollen!

Von Rémon Elsten

Kundenservice und Customer Experience Management

Customer Experience Management ist immer noch das Thema der Stunde, denn die Erwartungen sind hoch, aber oft nicht realistisch. „Unser Unternehmen hat nicht die günstigsten Preise oder die besten Produkte, aber dafür unterscheiden wir uns von anderen mit dem besten
Service!“

Es gibt mittlerweile keine Unternehmenspräsentation oder Webseite mehr ohne diese (oder eine ähnliche) Aussage. Die grosse Frage ist aber, wie „Service“ interpretiert und innerhalb vom Unternehmen umgesetzt wird. Einige Bereiche im Unternehmen mit Kundenkontakt sind traditionell eher wachstumsorientiert (Marketing und Vertrieb) und andere eher Kosten- oder Effizienzgetrieben (Service- oder Logistik Einheiten). Deshalb verfolgen sie unterschiedliche Ziele, die sich zum Teil widersprechen. So soll einerseits die Gesprächszeit mit den Kund:innen verkürzt werden, andererseits im gleichen Gespräch ein Cross- oder Up-Selling realisiert werden. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Werttreibermodell

Viele CX Initiativen werden aus den Abteilungen Marketing und Sales vorangetrieben. Typische Tätigkeiten sind dabei die Erstellung von Customer Journeys, die Konzeption von Personas oder das Entwickeln neuer Online- Touchpoints. Dies ist verständlich, weil sich das Marketing schon immer mit der Positionierung des Unternehmens und der Generierung von Aufmerksamkeit bei den Kund:innen befasst hat. Was häufig fehlt, ist die praktische Erfahrung im Umgang mit Kund:innen und Kundeninteraktionen, gerade nach dem Kauf. Hier muss Customer Experience Management mit dem Fokus „Kundenservice“ auf durchgehende Journeys ansetzen, weil es aus betriebswirtschaftlicher Sicht wesentlich günstiger ist bestehende Kund:innen zu halten und deren Potenzial auszuschöpfen, als Neukunden gewinnen. Für das Erzielen von positiven Kundenerlebnissen und damit Profitabilität für das Unternehmen müssen die Bereiche Marketing, Sales und Service nicht nur enger zusammenarbeiten, es sollte auch ein Teil vom Marketing- oder Customer-Experience-Management-Budget für die Pflege und das Ausschöpfen der bestehenden Kund:innen alloziert werden. Im Jahr 2023 hat nur eine von zehn Serviceorganisationen (13 %) im Kontaktmanagement auf das Prinzip der „wertschöpfenden Kontakte“ gesetzt und nur bei 8 % aller Kontakte wird ein Up- oder Cross-Selling initiiert. (Abbildung 2)

Abbildung 2: Wertschöpfende Kontakte (Service Excellence Cockpit 2023)

Kundenservice und KI / Conversational Bots

Es gibt im Unternehmen keinen Bereich, welcher so viele operative Kennzahlen aufzeigt und damit transparent ist wie der Kundenservice. Trotzdem fehlt bei vielen Unternehmen die Kennzahl «Servicekosten pro Kunde» (nur 13 % setzen diese strategische Kennzahl ein). Diese Zahl muss den Top-Entscheidern in der Geschäftsführung und im Vorstand vorliegen, damit sie diese mit Marketingkosten, Verkaufskosten und Produktionskosten vergleichen können. Ohne diese Information können keine sinnvoll übergreifenden Entscheidungen zugunsten der Weiterentwicklung des Kundenservice getroffen werden. Im Zeitalter der Conversational Bots und Generative KI wird es nach der Experimentierphase im Jahr 2023 immer wichtiger, Use Cases für Automatisierung oder Teilautomatisierung nach ihrem Mehrwert zu bewerten.

Aus Sicht des Unternehmens sind nicht nur Kostenüberlegungen relevant

Es soll überlegt werden, ob an einem persönlichen Dialog mit dem Kunden unter Service-Gesichtspunkten Interesse besteht, weil sie etwas über ihre Produkte und Dienstleistungen lernen kann, sich dadurch Ideen für Einsparungen ergeben sowie, ob sich durch den Kontakt eine Chance ergibt, weitere Produkte oder Leistungen zu verkaufen oder eben nicht. Leider finden diese Überlegungen nur selten statt, was den Kundefokus negativ beeinflusst.

Ein Frühwarnindikator für einen sinkenden Kundefokus, zumindest im Service, ist der sinkende Customer Effort Score (CES). Der CES widerspiegelt die einfache Erreichbarkeit und Leistung der Serviceorganisation gut, daher macht uns der Rückgang Sorgen! Der Net Promotor Score (NPS) kann aktuell (noch?) stabil gehalten werden. Im NPS sind aber auch Markenwert und Produktangebot zumindest implizit eingeschlossen. Zu einem ähnlichen Schluss kommt Gartner Consulting in der Studie «Customer Service Survey», wo sie feststellen, dass eine der grössten Herausforderungen in den kommenden Jahren sein wird: «sich im Customer Service genügend schnell zu entwickeln, um mit den veränderten Kundenbedürfnissen mitzuhalten». (Abbildung 3)

Abbildung 3: NPS und CES-Werte driften auseinander

Viele Unternehmen sind sich nicht bewusst, welchen Beitrag die Serviceorganisation für die Wertschöpfung ihres Kundenstammes leistet. Insbesondere in den zentralen Themen Kundenorientierung und Digitalisierung stellen wir im Service Excellence Cockpit eine unterdurchschnittliche Ausprägung fest. Deshalb gibt es noch einiges zu tun, damit Unternehmen und deren Kunden nicht in der «Service-Hölle» enden.


Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe (1/2024) des CMM360 Magazin erschienen. Den Artikel finden Sie hier: Die Rolle des Kundenservice im Unternehmen