Von Rémon Elsten
Customer Experience ist mittlerweile in der Geschäftsleitung angekommen und es sind in den meisten Unternehmen eine Fülle von Customer Journeys erhoben und evaluiert worden. Daher glauben viele Führungskräfte zu wissen, WAS für positive Kundenerlebnisse im Unternehmen alles verändert werden muss. Jedoch wissen die meisten dieser Führungskräfte nicht, WIE sie das umsetzen sollen. Zwar werden Customer Journeys in vielen Unternehmen wie am Fliessband „gemappt“ und „produziert“; aber deren Umsetzung birgt eine Fülle von Herausforderungen!
Customer Experience Management ist das Thema der Stunde, denn die Erwartungen sind hoch, aber oft nicht realistisch. Hier nur einige Punkte, die unserer Meinung nach dazu beitragen, dass die Fülle der Initiativen für eine Organisation problematisch werden:
Viele CX Initiativen werden zudem im Moment aus den Abteilungen Marketing und Sales vorangetrieben. Typische Tätigkeiten sind dabei die Erstellung von Customer Journeys, die Konzeption von Personas oder das Entwickeln neuer Online Touchpoints.
Dies ist verständlich, weil sich das Marketing schon immer mit der Positionierung des Unternehmens und der Generierung von Aufmerksamkeit bei den Kund:innen befasst hat. Da diese Abteilungen also wachstumsgetrieben sind, entstehen bei Unternehmen oft unvollständige Customer Journeys mit dem Fokus auf „Neukunden“. Ursache dafür ist ein lückenhafter „Rucksack“ der meisten Marketing-Mitarbeitenden. Was häufig fehlt, ist die praktische Erfahrung im Umgang mit Kund:innen und Kundeninteraktionen, gerade nach dem Kauf. Hier muss Customer Experience Management mit dem Fokus auf durchgehende Journeys ansetzen.
Weil die meisten Unternehmen in einem gesättigten Markt operieren, ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht ebenso wichtig, wenn nicht gar wichtiger, die bestehenden Kund:innen zu behalten, als Neukunden zu gewinnen. Die US-amerikanischen Autoren Reichhed und Sasser haben bereits vor 30 Jahren bewiesen, dass es wesentlich günstiger ist, bestehende Kund:innen zu halten und deren Potenzial auszuschöpfen, als Neukunden gewinnen.
Deshalb ist es bei der Erstellung von Customer Journeys wichtig vermehrt auf Durchgängigkeit und damit sich auf bestehende Kund:innen zu fokussieren, da diese Grundlage für stetes Umsatzwachstum und eine erhöhte Profitabilität sind!
Fazit 1
Für das Erzielen von positiven Kundenerlebnissen müssen die Bereiche Marketing, Sales und Service nicht nur enger zusammenarbeiten, es sollte auch ein Teil vom Marketing- oder Customer-Experience-Management-Budget für die Pflege und das Ausschöpfen der bestehenden Kund:innen alloziert werden.
In der Customer Journey wird versucht das Handeln, Denken und Fühlen der Kund:innen abzubilden. Häufig steht bei dieser Sicht eine wie auch immer definierte Verkaufsmöglichkeit im Mittelpunkt der Betrachtungen. Das zeigt, dass der Wechsel der Perspektive von der Anbieter- zur Kundensicht nach wie vor, nur mangelhaft gelebt wird.
Zusätzlich gibt es zu beachten, dass sich die letzten Jahre das Kundenverhalten nachhaltig verändert hat. Die Kund:innen von heute werden von allen Unternehmen über viele Kanäle und Plattformen mit Informationen und Marketingbotschaften adressiert und sind deshalb informiert, haben die Einfachheit und Bequemlichkeit des Online-Kaufs verinnerlicht und sehnen sich gleichzeitig nach der persönlichen Note des persönlichen Kontakts im Verkauf und Service. Statt eines klassischen AIDA-Ansatzes geht es nun darum, in diesem komplexen Umfeld die Aufmerksamkeit von Kund:innen und das Interesse für die Marke, das Produkt oder die Dienstleistung zu beeinflussen.
Fazit 2
Im Sinne eines Reifegradmodells geht es in einem ersten Schritt darum, für den Verkauf und Service nachhaltige Kundenbeziehungen mit einer Outside-In Sicht zu definieren, welche die Komplexität der Digitalisierung und die ständige Veränderung des Kundenverhaltens berücksichtigt. Dies erzeugt aber noch keine positiven Kundenerlebnisse!
Um mit der Optimierung von Customer Journeys positive Kundenerlebnisse zu schaffen, müssen diese nicht nur aus Sicht einer Evaluations- oder Kaufjourney, sondern vor allem auch für die Entwicklung und Pflege einer vertrauensvollen Beziehung zum Unternehmen untersucht werden. Solche positiven Kundenerlebnisse entstehen in der Interaktion der Kund:innen mit dem Unternehmen. Dabei tendieren Unternehmen dazu, sich in den Augen Ihrer Kund:innen als zu wichtig einzuschätzen. Sachlich schätzen die Kund:innen die meisten Unternehmen aber als reine «Problemlöser» ein. Das gilt insbesondere für Dienstleister wie Banken, Versicherungen, Telekommunikations- und Mobilitätsdienstleister oder Versorger. In diesem Fall muss bei der Umsetzung von Customer Journeys auf die «effortless experience» und damit auf die professionelle Umsetzung des Kauf- oder Serviceanliegens von Kund:innen fokussiert werden. Voraussetzung dafür ist ein Multiexperience basiertes Kontaktmanagement, welches nicht nur verschiedene Kanäle integriert (Omnichannel), aber diese auch über die Customer Journey hinweg managen kann.
Eine wichtige Voraussetzung bei der Prozessgestaltung ist sowohl die Trennung als auch die Integration von Inbound- sowie Outbound-Kundeninteraktionen. Auf den ersten Blick liest sich das wie ein Widerspruch – das ist es aber nicht!
Im Endeffekt geht es darum, alle Kontakte mit den verschiedenen touchpointspezifischen Merkmalen über ein Regelwerk zu steuern.
Sehen wir uns zuerst die Trennung von Inbound und Outbound an.
Outbound oder aktive Kundenkommunikation
Unter Outbound versteht man einzelne Aktionen, welche das Ziel haben
Diese Kombination von Herausforderungen wird in der Praxis durch regelbasierte Kampagnen und Marketing-Automation-Technologie umgesetzt.
Abhängig davon wie gut wir die Kund:innen und seinem Kontext kennen, werden zwei Typen von Kampagnen eingesetzt.
Eine immer grössere Herausforderung bei Outbound Kampagnen ist es, die Privatsphäre potenzieller Kund:innen (Prospects) zu respektieren. Das zeigt auch die zunehmende Regulation der Datenschutzgesetze. Zusammenfassend kann man diesbezüglich sagen: «Wenn kein Opt-In vorhanden ist, darf nichts gemacht werden.»
Ein grosser Vorteil der Outbound-Kommunikation ist, Kund:innen gut einschätzen zu können, da das Unternehmen den Kontakt selbst initiiert hat. Es besteht als ein gewisses Grundwissen darüber, mit welchen Kund:innen es das Unternehmen zu tun hat und ob es inhaltlich um Marketing-, Vertriebs- oder Servicethemen geht. Deshalb sollte das Unternehmen schon im Vorfeld definieren, welche Kund:innen zu welcher Persona gehören und auf Basis welcher Merkmale Aktivitäten ausgelöst werden.
Diesbezüglich muss sichergestellt werden, dass das Unternehmen Rückfragen oder Feedback von Kund:innen zu diesen Kampagnen professionell handhaben kann.
Deshalb ist die Integration von Outbound und Inbound so wichtig!
Fazit 3
Die aktive Kundenkommunikation (Outbound) sollte die gesamte Journey einbeziehen. Deshalb sollte neben dem Marketing-Content auch solcher für Vertrieb und Kundenservice erstellt werden. Dieser muss zwingend in Zusammenarbeit mit der Kundenservice-Organisation geplant und aufgesetzt werden, damit Rückfragen und Kundenfeedback zu den Kampagnen professionell abgewickelt werden können.
Inbound Prozesse im Unternehmen werden häufig in ihrer Bedeutung für eine herausragende Customer Experience weitgehend unterschätzt. Spannend ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Kund:innen und Unternehmen an einer möglichst schnellen Problemlösung bzw. Abwicklung interessiert sind. Deshalb müssen die Inbound-Prozesse, welche meistens durch Service-Einheiten abgewickelt werden, effizient und gleichzeitig möglichst effektiv (d.h. im Sinne der besten Lösung für die Kund:innen) aufgesetzt werden.
Bei vielen Unternehmen geht es heute im Gegensatz zu Marketing und Verkauf im Service primär um Effizienz, d.h. eine akzeptable Lösung zu annehmbaren Kosten zu generieren.
Ob das aus CX- oder gar betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist, ist fraglich.
Ein exzellenter Customer Service ist ein wichtiger Bestandteil und gleichzeitig das Fundament der positiven Customer Experience und hat damit auch ein grosses Potenzial für Umsatzsteigerung.
Von «Service to Sales to Value» ist das Reifegradmodell im CX, wobei eingehende Kontakten von bestehenden oder potenziellen Kund:innen gezielt genutzt werden, um einen Mehrwert zu generieren.
In der Umsetzung bedeutet dies die Implementierung eines standardisierten Kontakt-Management-Prozesses für alle Touchpoints und Unternehmensbereiche. Dazu wird ein generischer Kontaktmanagement-Prozess konzipiert und definiert, welcher nur für die relevanten Kanäle und Touchpoints umgesetzt wird.
Identifizierung
Die Identifizierung der Kontakte dient dazu festzustellen, wer uns mit welchem Anliegen kontaktiert. Dieser erste Prozessschritt ist einer der wichtigsten Aktivitäten im Kontakt-Management – für gewisse Kanäle wie das Telefon kompliziert in der Umsetzung.
Ohne die Identifizierung sind wir nicht in der Lage, die nächsten Schritte im Prozess inkl. die Bearbeitung der Kundenkontakte professionell umzusetzen (wenn wir z.B. die Sprache der Kund:innen nicht kennen, wird es schwierig, einen geeigneten Mitarbeitenden für den Fall zu bestimmen).
Qualifizierung
Die Qualifizierung stellt das Mapping von Kundenanliegen zu unseren internen Prozessen und von den Kund:innen zu den definierten Personas mit den entsprechenden Merkmalen und Aktivitäten sicher. Dieser Schritt liefert wichtige Inputs für die Priorisierung und Zuweisung des Kontaktes.
Zuweisung
Basierend auf den Parametern aus der Identifizierung und Qualifizierung, geht es jetzt darum, die Kontakte mit einem zentralen Regelwerk mittels eins Push-Prinzips und Überwachung des vordefinierten Service Levels den bestgeeigneten Mitarbeitenden oder ggf. auch Bot für die Bearbeitung zuzustellen.
Diese Prozessschritte im sogenannten Kontakt-Routing-Prozess müssen mit dem Ziel eines guten «effortless» Kundenerlebnis gestaltet werden. Sich für ein schwieriges, akutes Problem 10 Minuten durch einen IVR quälen oder von einem Bot nur mangelhaft bedient zu werden, ist aus CX Perspektive nicht optimal.
Annahme
Egal ob im Self-Service oder bei einem Anruf: Die Art und Weise, wie das Anliegen der Kund:innen entgegengenommen wird, hat einen grossen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit und damit auf Wahrnehmung eines «reibungslosen Erlebnisses». Müssen die Kund:innen alles zwei oder drei Mal wiederholen oder ist schon bekannt, wer der Kunde ist, was sein Anliegen ist und kann die Problemlösung umgehend in Angriff genommen werden.
Bearbeitung
Egal um welchen Touchpoint es geht und ebenfalls egal, ob es um ein Marketing-, Vertriebs- oder Service-Thema geht: Bei der Kontaktbearbeitung muss eine personalisierte, empathische und professionelle Interaktion sichergestellt werden. Dazu ist es wichtig, Mitarbeitenden und Bots die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Im persönlichen Kontakt spielen Emotionen und Empathie eine grosse Rolle, welche für die Bewertung des Kundenerlebnisses sehr wichtig sind.
Abschluss
Wenn Inbound Kontakte wie Service Anfragen für Verkaufschancen genutzt werden, muss sichergestellt werden, dass die Kund:innen in diesem Moment offen dafür sind. Das braucht Fingerspitzengefühl (eventuell unterstützt von einer Analyse der Kundenemotionen durch Voice Analytics Systeme). Werden solche Verkaufschance nicht richtig erkannt oder empathisch genug adressiert, ist das aus CX-Perspektive nicht optimal.
Und am Schluss kommt dann noch die Frage nach dem Kundenfeedback: Wie zufrieden sind Sie …
Mit dem Kontaktmanagement Prozess soll gewährleistet werden, dass:
Fazit 4
Nur mit einem professionell aufgesetzten Kontakt-Management-Prozess ist es möglich, positive Kundenerlebnisse zu bewirken. Hier ist es wichtig, dass Marketing und Service diesen Prozess gemeinsam definieren und konzipieren, um ein positives Multiexperience Kundenerlebnis sicherzustellen.